„Die NATO im 21. Jahrhundert: Plattform für internationale Friedensoperationen“

 

Am 16. März organisierte der Stiftungslehrstuhl für Europäische Sicherheitspolitik (Prof. Alexander Siedschlag) an der SOWI eine Vortragsveranstaltung mit Dr. Knut Kirste, Public Diplomacy Division, NATO-Hauptquartier, Brüssel. Jodok Troy, Studienassistent an der Stiftungsprofessur, hält nachfolgend das Wichtigste aus dem Vortrag fest.

 

Wie Prof. Siedschlag in seinen einführenden Worten erläuterte, obliegt es der Stiftungsprofessur als politikwissenschaftlichem Lehrstuhl nicht zuletzt, das Verständnis für die europäischen Sicherheitsinstitutionen zu vertiefen. Dazu zählt auch die NATO, und dies umso mehr, als die Republik Österreich im Februar ihre zehnjährige Mitgliedschaft im NATO-Programm „Partnership for Peace“ (PfP) feiern konnte.

 

Hintergrund des Vortrags von Dr. Knut Kirste war der dramatische Wandel, den die NATO in den letzten Jahren durchlaufen hat. Zunächst erläuterte Kirste die allgemeine Transformation der Nordatlantischen Allianz, die auf die bereits in den 1980er-Jahren eingesetzten raschen politischen Veränderungen zurückzuführen ist. Nach der weltpolitischen Wende von 1989 war der enge Sicherheitsbegriff des Bündnisses, welcher das Konzept von Sicherheit im Wesentlichen mit Verteidigung im Kontext der Ost-West-Konfrontation gleichsetzte, überholt. Die NATO als vormaliges klassisches Verteidigungsbündnis wandelte sich in ein partnerschaftliches Bündnis, das sich zu Beginn der 1990er-Jahre verstärkt dem „gemeinsamen Haus Europa“ zuwandte.

 

Durch die „Partnerschaft für den Frieden“ (PfP) und die Aufnahme neuer Mitglieder versuchte die NATO ab Mitte der 1990er-Jahre den neuen Bedrohungen nach dem Ende des Kalten Krieges mit einem umfassenderen Sicherheitsbegriff zu begegnen. Neue Herausforderungen sollten verstärkt kooperativ gelöst werden. Die Erweiterung bedeutete für die neuen Mitglieder sowohl militärische wie auch demokratische Transformationen. Dadurch hat die NATO nach dem Kalten Krieg eine wichtige Stabilisierungsfunktion in Ost- und Mitteleuropa übernommen. Daneben wurden aus NATO-Operationen, das bedeutet Operationen mit NATO Mitteln, immer mehr NATO-geführte Operationen, in denen das Bündnis selbst die strategische Leitung und Verantwortung übernahm.

 

Neben den 26 Vollmitgliedern der NATO finden sich heute 30 Staaten in der „Partnerschaft für den Frieden“ wieder. Mit dieser Partnerschaft initiierte die NATO im Jahr 1994 ein stark auf Praxis ausgerichtetes Programm für eine bilaterale Zusammenarbeit mit Nicht-NATO-Mitgliedern. „Die Kooperation der NATO mit den PfP-Mitgliedern ist sehr individuell und kann von jedem Staat selbst bestimmt werden“ betonte Dr. Kirste. Das Programm zielt maßgeblich auf gemeinsame Möglichkeiten von Konfliktprävention und Krisenbewältigung. Ein sehr gewichtiges PfP-Mitglied ist Russland, das sich vom ehemaligen NATO-Gegner zum Partner entwickelt hat.

 

Im Fall Österreichs betrifft die PfP insbesondere die Zusammenarbeit in der Ausbildung und im Training von Bundesheer und Streitkräften von NATO-Mitgliedstaaten. Im Laufe der 1990er-Jahre ist speziell die internationale Kooperation im Rahmen von Friedenserhaltungs-Missionen akut geworden. Auch Österreich nimmt unter anderem nach wie vor an den gemeinsamen Krisenbewältigungsmissionen der NATO auf dem Balkan teil. Im Rahmen der Kosovo-Force (KFOR) beteiligen sich aktuell rund 570 österreichische Soldaten am größten Auslandseinsatz des Bundesheeres.

 

Insgesamt unterteilte Dr. Kirste den Wandel der NATO in drei Phasen. Die erste Phase war geprägt durch den Kalten Krieg und der stark konfrontativ-militärischen Ausrichtung gegen den Warschauer Pakt. In der zweiten Phase passte sich das Verteidigungsbündnis den neuen sicherheitspolitischen Herausforderungen der 1990er-Jahre an. In der dritten Phase, in der sich die NATO noch immer befindet, wandelte sich der eurozentrierte Sicherheitsbegriff in einen funktionalen. Auch brachte das 21. Jahrhundert ganz neue Herausforderungen und Aufgaben für die NATO mit sich. Gerade der 11. September 2001 hat auch der NATO gezeigt, dass die Gewährleistung von Sicherheit nicht auf Europa beschränkt bleiben kann. Die neuen Bedrohungen, wie der internationale Terrorismus, die Weiterverbreitung von Massenvernichtungswaffen und zusammenbrechende Staaten haben globale Auswirkungen und erfordern somit auch von der NATO global ausgerichtetes Handeln. In Zukunft wird sich das Bündnis, das mittlerweile zu einem Teamplayer mit EU, OSZE und UNO geworden ist, verstärkt global engagieren, zeigt sich Dr. Kirste überzeugt. Sei dies nun in Afrika oder im Nahen und Mittleren Osten, wie dies schon jetzt durch die Ausbildung irakischer Soldaten der Fall ist.

 

Damit die NATO handlungsfähig bleiben kann, ist sie auf Kooperation angewiesen. Gerade die EU hat durch die Europäische Sicherheits- und Verteidigungspolitik (ESVP) viel gemeinsam mit der NATO, führte Dr. Kirste aus. Für die Zukunft bedeutet dies eine verstärkt verregelte Zusammenarbeit der beiden Institutionen, um Duplizierungen zu vermeiden. Dass die Beziehungen mit der EU nicht immer die besten sind, liegt für Dr. Kirste in der Logik der Problematik und ist durch die unterschiedlichen Interessen von Staaten auch verständlich. Da weiters die UNO Peacekeeping-Missionen nicht selbstständig erfüllen kann, wird die NATO auch in Zukunft eine Plattform für derartige Operationen sein. Die 1949 unter den Vorzeichen des Kalten Krieges gegründete NATO ist heute eine ganz andere Organisation als einst, zeigt sich Dr. Kirste über den zukunftsfähigen Zustand des Bündnisses als Plattform für internationale Sicherheitsoperationen überzeugt.

 

 

Kurzfassung dieses Berichtes im i-point der Universität Innsbruck

 

 

 

www.european-security.info 04.04.2005